Lieber Leser, 
ich habe mich entschieden, mein privates Tagebuch zu meiner CI-OP im Jahre 1996 auf dieser Homepage zu veröffentlichen. Das Tagebuch wird hier weitgehend originalgetreu wiedergegeben (Namen wurden soweit notwendig abgekürzt oder umgeändert). 

Am Tag der OP führte meine Mutter das Tagebuch. An jenem Tag wechseln also die Perspektiven.

Informationen über meine Person finden Sie im Frage- und Antwortenteil, der ebenfalls auf dieser Homepage zu finden ist. Zum Zeitpunkt der Tagebuchführung war ich 17 Jahre alt.

Doch nun, genug der Worte!

Viel Spass beim Lesen!

Tagebuch:
Donnerstag, den 23.05.1996
Vortag der Operation
Um 4 Uhr morgens sind wir, d.h. meine Eltern und ich, aufgestanden. Um 4 Uhr 30 brachte uns mein Opa zum Pasinger Bahnhof (Anmerkung: Pasing ist ein Stadtteil von München), wo wir in den IC nach Nürnberg um 5 Uhr 01 einstiegen. Hier schlief ich mich erst einmal aus, und um 6 Uhr 30 stiegen wir in Nürnberg um. Um 6 Uhr 39 fuhr uns der ICE nach Hannover weiter, wo wir um 9 Uhr 30 ankamen. Es war allerhöchste Zeit, denn um 10 Uhr sollten wir schon vor der Aufnahme der Polikliniken der MHH stehen. Wir fuhren mit der U-Bahn-Linie 4 zur MHH. Die Zeit langte gerade noch, denn um 10 Uhr 05 kamen wir erst an! Dennoch war dies kein Problem, und so wurden wir gleich an weitere Stellen verwiesen, u.a. eine Hörprüfung und eine Gleichgewichtsprüfung wurden durchgeführt. Am Spätnachmittag hatten wir um 16 Uhr unsere entscheidende Besprechung mit Herrn Prof. Dr. Lenarz. Das Ergebnis: Die OP wird auf dem linken Ohr durchgeführt. 
Dann holte uns meine Tante ab und wir schauten uns noch schnell in der Pension, wo meine Eltern während meines Aufenthaltes in der Klinik, nächtigen sollten. Dann ging es nach einem Besuch eines Onkels und nach einem Einkauf zurück zur MHH. Hier spielte ich noch mit meinen Eltern Scrabble. Meine Tante war gar nicht mehr zur MHH mitgekommen, da sie noch etwas zu tun hatte.
Am Abend wurden mir für die bevorstehende OP die Haare abrasiert. Dann gingen meine Eltern. Da um 22 Uhr Bettruhe war, machte ich mich sogleich bettfertig, bekam noch eine Schlaftablette.
Morgen kommt um 8 Uhr die OP.....
Freitag, den 24.05.1996
Tag der Operation

aus der Sicht meiner
Mutter
8 Uhr
Florian wird operiert

12 Uhr 45
Prof. Lenarz teilt uns mit, daß die Operation gut verlaufen ist. Alle Messungen (Stapedius-Reflex-Prüfung und ERA) haben ein positives Ergebnis gezeigt. Alle Elektroden konnten angeschlossen werden, die Cochlea war nicht verknöchert.

13 Uhr
Florian wird aus dem OP geschoben. Er hat starke Schmerzen und fühlt sich vom Licht geblendet. Im Zimmer angekommen kommt er an den Tropf. Durst. Blutiger Geschmack im Mund.

14 Uhr
Florian hört ein Piepsgeräusch im Ohr. Florian darf den Mund ausspülen und einen Schluck trinken.
Mit Akupressur gelingt es ihm, ein bisschen zu schlafen.
Florian schläft die meiste Zeit.

17 Uhr 30
Zum Abendessen gibt es schon einen Kompott.

20 Uhr
Vor dem Schlafengehen darf Florian schon einmal kurz aufstehen. Auch in der Nacht halten die Blutungen noch an. Mit einer Eiskrawatte und einem Zäpfchen gelingt es ihm schließlich zu schlafen.
Samstag, den 25.05.1996
1. Tag nach der OP
Nach einer unruhigen Nacht wachte ich um 6 Uhr 30 auf, von selbst. Um 7 Uhr durfte ich zum 2. Male aufstehen. Ich fühlte mich auch fit dazu. Die Betten wurden bezogen, und danach konnte ich mich wieder ins Bett begeben. Um 8 Uhr kam dann das Frühstück - meine Eltern waren inzwischen gekommen. Als ich das Frühstück beendet hatte, machte ich erst einmal Morgentoilette, wozu ich wiederum aufstehen durfte. Ich fühle mich immer mehr gekräftigter. Den Vormittag vertrieb ich mir mit Kreuzworträtsellösen und mit Schlafpausen. Kurz vor Mittag wurden mir die zwei Injektionsnadeln entfernt - ein Glück - sie waren mir schon lästig geworden. Und außerdem hatte ich ja noch immer einen blutigen Geschmack, das ließ aber im laufe des Tages nach und hörte schließlich ganz auf. Ich fühle, wie es mir immer besser geht. Kurz vor dem Mittagessen kam dann noch Prof. Lenarz, um nach mir zu sehen. Er war mit mir sehr zufrieden. 
Danach machte ich mit meinen Eltern einen kurzen Spaziergang durch den Gang von meiner Station, dies ging ohne Probleme vonstatten.

Dann kam das Mittagessen, Mittagstoilette und anschließend ein Mittagsschlaf, in den ich mich aber nur schwer finden konnte. Erst eine Massage meiner Mutter brachte mich zum Einschlafen. Als ich wieder aufwachte bekam ich erst einmal einen Schreck: Meine Eltern waren nicht mehr da. Aber dann erfuhr ich von meinem Bettnachbarn, dass sie mit einem Besuch draußen sprechen würden. Ich wusste sofort, wer mit dem Besuch gemeint sein könnte: Meine Tante. Mein anderer Bettnachbar erbot sich, ihnen Bescheid zu geben, dass ich aufgewacht sei. Sie kamen dann schließlich zu mir herein. Meine Tante blieb dann bis zum Abendessen. Meine Eltern begleiteten mich dann bis zum Ausgang, um meine Tante zu verabschieden. Auch diesen größeren Ausflug bestand ich ohne Probleme. Anschließend fühlte ich mich noch so fit dazu, um mit meinen Eltern ein ganzes Schwedenrätsel zu lösen. 

Dann verabschiedeten sich meine Eltern und ich ging zu Bett. Morgen soll der Verband erneuert werden. Mal sehen, wie ich aussehen werde.... 
Sonntag, den 26.05.1996
2. Tag nach der OP
Heute wachte ich nach einer gut durchschlafenen Nacht auf. Ich entschließe mich, auf meinem nicht operierten Ohr das Hörgerät zu tragen! Mit dessen Hilfe machte ich mich mit meinen Bettnachbarn besser bekannt. Außer mir sind noch vier andere Patienten im Zimmer.
Dann kamen meine Eltern.
Gegen Mittag wurde mein Kopfverband abgenommen. Der Arzt war mit der Narbe zufrieden. Er hat mir einen sogenannten "Selbst-richt-Verband" gegeben, so dass ich mir den Verband nun selbst richten kann. Jedenfalls bin ich erleichtert, dass ich den dicken Kopfverband nicht mehr trage. Ich kann jetzt Hemd und Pullover ohne Mühe an- und ausziehen. 
Heute war ich zum ersten Male draußen an der frischen Luft und ließ mir ein Eis schmecken.
Am Nachmittag telefonierten wir mit meinen Cousins, um zu erfahren, was sie zu Pfingsten vorhaben.
Am Abend schaute ich zum ersten Mal fern. Gesundheitlich geht es mir sehr gut.
Montag, den 27.05.1996
3. Tag nach der OP
Es fiel mir schwer, gestern Abend einzuschlafen. Auch nach dem ich eingeschlafen war, wachte ich immer wieder auf. Ich hatte Durchfall (wohl zuviel gegessen?). Kurz nach Mitternacht ging es mir dann aber wieder besser und ich schlief bis zum Frühstück durch. Kaum beginne ich zu frühstücken, kommen auch schon meine Eltern. 
Heute machten wir einen ausgedehnten Spaziergang in der Pfingstsonne, der mit einem Cafébesuch abgerundet wurde. Wir spielten noch einmal Scrabble, dann musste meine Mutter schon gehen (17 Uhr 40). Sie muss ab morgen wieder zur Ausbildung gehen, sie macht nämlich eine Ausbildung zur Sprachtherapeutin, bzw. Logopädin.
Heute Abend schaue ich mir mit meinem Vater Tatort an.
Die Nase ist jetzt endlich frei, dabei muss ich wohl zu heftig die Nase geputzt haben, da mir die Ohren weh tun.
Jedenfalls wird der Arzt meine Ohren anschauen und ich hoffe, dass die Schmerzen bis Morgen vergangen sind.
Dienstag, den 28.05.1996
4. Tag nach der OP
In der Nacht auf heute schlief ich wieder schlecht. Aber ich habe jetzt herausgefunden, woran es liegt. Es ist die ständig verrutschende Ohrenklappe. Jedenfalls sprach ich mit Dr. Stoever nach dem Frühstück darüber und er hat sofort gesagt, dass er eine Ohrenklappe bei mir nicht für sinnvoll halte und er sie auch nicht "verordnen" würde. Also bekam ich ein Pflaster über die Narbe, das Ohr bleibt frei! Der Oberarzt von Montag aber hatte gemeint, dass das Ohr abgedeckt werden müsse und nicht die Narbe ?!? Jedenfalls vertraue ich Dr. Stoever mehr. 

Dadurch, dass das Ohr jetzt frei wurde, kann ich seit heute meine Brille wieder tragen. Zudem zog ich heute zum ersten Male meine Baseballmütze an.

Heute Vormittag wurde eine Radiologie-Aufnahme von meinem Kopf gemacht, welche Dr. Stoever als sehr gut befunden hat. Die Elektrode ist an ihrem Platz und wird nicht abgestoßen!

Am Nachmittag spielte ich mit meinem Vater Patience im Gegensatz zu heute morgen, wo wir Briefmarken ablösten. Ich machte heute einen ausgedehnten Mittagsschlaf, die Folgen von zwei durchmachten Nächten....
Um 16 Uhr kamen die Kinder von Knut (Bettnachbar) zu Besuch. Sie brachten mir und Peter MauMau bei. Es war ein lustiges Spiel. Da war dann schon bald der Tag vorbei. 
Ach ja, ich vergaß, zwei ausgedehnte Spaziergänge machten wir noch. Sie sind längst zur Routine geworden. 
Heute begleitete uns Erich, ein anderer Bettnachbar, bei unserem ersten Spaziergang. 

Stelle heute fest, dass meine Ohrmuschel von der OP noch taub ist, ich kann da jedenfalls nichts fühlen, ich weiß nur, dass sie noch da ist....!

Heute fühle ich mich so fit zum Windsurfen. - Eine fixe Idee, ich weiß, aber.... .

Ab heute werde ich keine Probleme mehr haben mit Schlafen.
Mittwoch, den 29.05.1996
5. Tag nach der OP
Heute schmerzt die Narbe fast nicht mehr. Den ganzen Vormittag döse ich vor mich hin und lese viel. Wahrscheinlich, weil ich jetzt wieder richtig schlafen kann. 
Auch der Nachmittag wird auf dem Zimmer verbracht, da die Chefvisite auf den heutigen Tag gelegt wurde. Wir lösten viele Briefmarken ab und spielten etliche Runden von Patience.
Am Vormittag wurde das Pflaster erneuert. Bei der Chefvisite kam nichts neues heraus, außer, dass Prof. Lenarz mal wieder Gelegenheit hatte, mit mir zu reden. Er ist sehr von mir fasziniert, von meinem Mut und meiner Ausdauer. Mit der Radiologieaufnahme war er ebenfalls zufrieden. 

Heuet Abend habe ich einen sehr großen Rundgang ringsum das MHH-Gelände gemacht, schließlich hatte ich ja den ganzen Tag im Zimmer rumgehockt. Nach dem Abendessen kam meine Tante wieder vorbei, allerdings nur für 15 Minuten, versprach aber, in den nächsten Tagen noch einmal mit ihren Mann vorbeischauen zu kommen. 

Heute habe ich zum ersten Mal Post bekommen. Einen Brief von meinen Großeltern und eine Postkarte von einem Klassenkameraden.
Der Brief meiner Oma erheiterte mich sehr, glaubte sie doch, ich wäre am rechten Ohr operiert worden, dabei ist es das linke! Von meinem Klassenkameraden erfuhr ich, dass ich in der Mathe-Schulaufgabe `ne 1 hätte. Das war natürlich ein Grund zur Freude.
Heute Abend sah ich mir im Fernsehen das Länderspiel Nordirland gegen Deutschland an, was mit 1 zu 1 endete.
Donnerstag, den 30.05.1996
6. Tag nach der OP
Heute war nichts geplant, so entschlossen wir uns (mein Vater und ich), dass wir uns für den Nachmittag bei der Station abmelden und mit dem Linienbus zum Cochlea-Implant-Centrum für Kinder, "Wilhelm Hirte", fahren. 
Dort liessen wir uns von Herrn X. die Örtlichkeiten zeigen. Ich fand das Grundstück ziemlich groß.
Herr X. sprach zu meinem Mißfallen nur mit meinem Vater normal, zu mir verfiel er in seine gewohnte "affige" Pädagogensprache zurück. Bin froh, dass ich bei der Rehabilitation mich auf meine Mutter verlassen kann. Sie wird`s schon verhindern, dass ich auch so `ne "Scheiss"- Sprache lerne. Ich will weiterhin so normal reden können, wie vor der OP.
Dann gingen mein Vater und ich bei Temperaturen von +28 Grad zurück, den ganzen Weg zu Fuß. Es war sehr schwül, ich begann zu schwitzen, und kurz vor dem Ziel machten meine Füße schlapp. So ist es nicht zu verwundern, wenn ich nach dem anstrengenden Ausflug ca. 2 Stunden schlief. Das CIC war ca. 3 km entfernt!!
Freitag, den 31.05.1996
7. Tag nach der OP
Für heute war der Probeton geplant, dazu kam es aber wegen irgendwelchen Personalproblemen nicht. Scheiße, einen Tag umsonst im Zimmer gehockt. 
Aber dann am Abend ging`s dann in den kühlen Abendwind nach draußen. Schließlich hätte ich bei 28 Grad draußen eh kein Vergnügen gehabt, so fand ich das Warten im Nachhinein nicht so schlimm.
Beim Spaziergang trafen wir noch unsere Zimmergenossen, mit denen wir unseren Spaziergang noch ausdehnten. 
Heute habe ich zum ersten Male wieder etwas Sport getrieben. Ein wenig am Baum turnen, laufen, springen, etc.
Samstag, der 01.06.1996
8. Tag nach der OP
Heute morgen spuckte ich wieder Blut, infolge eines zu heftigen Niesers. Jedenfalls schlief ich dann bis 14 Uhr mit Eßpausen durch!
Als ich aufwachte war meine Tante schon da, mit der wir in die Pizzeria gingen, für Eis, Kaffee und Kuchen. Mein Onkel konnte leider nicht kommen, da er hohes Fieber bekommen hat.
Nach der Kaffeepause spielten wir noch Scrabble, danach musste meine Tante gehen, ein wenig später dann auch mein Vater.
Meine Tante hat mich für das Wochenende, wenn ich zur Rehabilitation wieder in Hannover sein werde, zu sich nach Hause eingeladen, einem grossen Grundstück mit Mühle, selbstbewirtschaftetem Garten, Hühnern und Schafen. 
Am Abend sah ich mir mit den Zimmergenossen noch das Fußballänderspiel zwischen Deutschland und Frankreich an. Das miserable Fußballspiel endete 1 zu 0 zugunsten Frankreichs.

Hier endet mein Tagebuch. Anscheinend fühlte ich mich da schon so sehr fit, dass ich das Tagebuchschreiben sträflich vernachlässigte ;-)
Die Tage danach Was das Blutspucken vom Samstagmorgen, den 01.06. anging, so ging das sehr schnell vorüber. Am Freitag der kommenden Woche wurde ich entlassen.

Zwei Wochen später merkte ich, als ich mein CI näher untersuchte (durch Abtasten über der Kopfhaut), dass da was weiches schwabbliges darüber war. Es war ziemlich viel, so dass wir in die Klinik vor Ort (Klinikum Großhadern) gingen. 

Man schloss auf Lymphe und punktierte mich durch die Kopfhaut. Da machte es "puff", die Luft war entwichen und alle waren verdutzt, denn an Luft dachte keiner im Traum. Es waren keine Keime, sondern pure Luft! 

Es war die Luft, die durchs Naseputzen während der ersten Tage nach der OP nach oben gelangt war! Ich hatte ja damals ziemlich starken Schnupfen, durchsetzt mit Blut. Da hab ich auch heftig in das Taschentuch geschnäuzt, denn es war sehr viel Schleim, auch Blut dabei. Und ich wollte meine Nase frei haben! 

Ich bekam daher damals wegen des Blutes einen kalten Umschlag hinter den Hals gelegt, damit die Blutung aufhörte.

Also, besser den Schleim einfach nur rauslaufen lassen und mit dem Taschentuch wegwischen, auf keinen Fall durch Schnäuzen nachhelfen! Schließlich ist das Gewebe ist in den ersten Tagen noch nicht vollständig verwachsen. Aber wer gerne einen Luftkopf haben will, dem sei die Nachahmung zu empfehlen ;-) 

Soviel zu meinen eigenen Leibeserfahrungen ;-) 

Viele Grüße,
Florian Pietsch (florian.pietsch@lkh-deutschland.de)